Tatsächliche und vermutete Allergien nehmen in allen Industriestaaten von Jahr zu Jahr zu. Für eine an den Ursachen einer Allergie ansetzende kausale Therapie steht in erster Linie die Spezifische Immuntherapie (SIT) zur Verfügung, die seit mehreren Jahrzehnten subkutan (subkutan = unter die Haut) als sog. "Allergiespritzen" zum Einsatz kommt. Diese Therapie ist zeitaufwändig und bei den Allergikern wenig beliebt. Sie wird daher seit einigen wenigen Jahren durch die einfacher anzuwendende, dafür auch deutlich schwächer wirkende, sublinguale spezifische Immuntherapie (SLIT) ergänzt, bei der die als Krankheitsverursacher identifizierten Allergene dem Organismus über die Mundschleimhaut in Form von Tabletten oder Tropfen zugeführt werden.
Leider gibt es deutlich mehr Allergiker als gut ausgebildete Allergologen. Rund 90% der Allergiker werden daher von Ärztinnen und Ärzten betreut, die sich nicht auf Allergien spezialisiert haben. Die zwangsläufige Folge: es werden massenweise Fehldiagnosen, bzw. unvollständige Diagnosen erstellt, die wiederrum zu nicht optimalen Allergietherapien führen.
Da bei nicht optimal behandelten Allergien immer die Gefahr der Entwicklung eines allergisch bedingten Asthmas besteht (sog. Etagenwechsel vom Nasen-Rachenraum hin zu den oberen Atemwegen) haben falsche Allergie-Diagnosen zum Teil im individuellen Einzelfall gravierende Folgen und sollten daher möglichst vermieden werden.
Doch die herkömmliche Allergiediagnostik ist schwierig, da es sich bei den Allergenen meist um ein schwer zu durchschauendes Gemisch aus zahlreichen nur wenig bekannten Teil-Komponenten handelt, die alle als direkter Auslöser der individuellen Allergie-Symptome in Frage kommen. Es ist daher eher der Normalfall, dass die eigentlich auslösenden Allergen-Komponenten in den für die Therapie verwendeten Allergenen unterrepräsentiert sind, während die Allergiker überflüssigerweise zahlreiche andere Bestandteile des Allergengemisches erhalten, die die Allergie-Symptome überhaupt nicht beeinflussen.
Seit einiger Zeit deutet sich daher mit der sog. molekularen Allergiediagnostik eine vielversprechende innovativ erweiterte Diagnosemöglichkeit an, bei der sich die Allergiediagnostik auf ein vorher nicht gekanntes Niveau anheben lässt.
Die molekulare Allergiediagnostik geht weit über die derzeit verfügbare Allergiediagnostik hinaus. Mit ihrer Hilfe lässt sich nicht nur der Eiweißkörper exakt ermitteln, gegen den sich die körpereigene Abwehr richtet, sondern auch die für die Sensibilisierung ausschlaggebenden Allergenkomponenten.
In der Arztpraxis wird derzeit noch nicht auf einzelne Allergenkomponenten getestet, sondern auf die gesamte Allergenquelle - meist eine komplexe und wechselnde Mischung zahlreicher Eiweiße. Einzelne Allergenproteine, gegen die eine fehlgeleitete Überempfindlichkeit des Immunsystems besteht, können derzeit nur mit Hilfe der molekularen Allergiediagnostik identifiziert werden. Diese optimierte Diagnostik wirkt sich geradezu zwangsläufig positiv auf die Allergietherapie aus, die nun maßgeschneidert individualisiert werden kann.
Bei der Anwendung der spezifischen Immuntherapie (SIT) wird der Patient über Jahre hinweg mit sich langsam steigernden Dosen des Allergens gegen den identifizierten Auslöser der Allergie unempfindlich gemacht – gegen Ende der Therapie toleriert der Kranke dann dieses Allergen besser als vor Beginn der Behandlung. Erst mit Hilfe der molekularen Allergiediagnostik kann das die Allergie verursachende Allergen daher präzise identifiziert werden.
Bereits bei den ersten
Arzt-Patientenkontakten ist es mit Hilfe der sog.
Komponentendiagnostik möglich, das verursachende
Allergen bei einigen
allergisch bedingten Überempfindlichkeiten viel genauer zu bestimmen, als
dies heute mit der üblichen Allergiediagnostik
möglich ist. Von dieser neuen innovativen Methodik
können unter anderem Insektengift- und auch
Pollenallergiker profitieren, die dem Anschein
nach unter
mehrfachen Allergien leiden. Die durch die Komponentendiagnostik
ermöglichte exakte Diagnose optimiert
die Allergietherapie und erhöht so die Chancen für
eine Ausheilung der bestehenden allergischen
Erkrankung.
Autor Dr. Kubitschek
Supplement: Perspektiven der Pneumologie & Allergologie Molekulare Allergiediagnostik:
Was für die Praxis wichtig zu wissen ist
Dtsch Arztebl 2016; 113(24): [20]; DOI:
10.3238/PersPneumo.2016.06.17.03
Darsow, Ulf;
Biedermann, Tilo
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Quelle: Ärzteblatt